Für die Serie „following my exotic destiny“ schlüpft Hanna Nitsch in die Rollen christlich-mythologischer Figuren, wird zu Göttin, zur Madonna und zum Hermaphroditen.
Hier sehen wir Nitsch als „maria lactans“, als „Stillende Gottesmutter“ – einem alten christlichen Bildmotiv. Zurückgehend auf ältere ägyptische Motivtraditionen, wo die Göttin Isis den Horusknaben stillt, vereinnahmten die ersten koptischen Christen das Motiv unter neuem Vorzeichen. Mütterliche Fruchtbarkeit und der Übergang göttlicher Kraft auf das Kind werden hier thematisiert. Später, am Tag des jüngsten Gerichts, soll die Brust Marias Jesus auch milde gegen die menschlichen Sünder stimmen.
Nitsch stellt die Szene minimalistisch dar – sie entkleidet sie fast aller üblichen Attribute. Es gibt keinen Hintergrund – meist ist die Darstellung mit Landschaftsdetails und architektonischen Elemente der biblischen Überlieferung angereichert – nur das weiße Setting eines Fotostudios ist zu sehen. „Maria“ ist hier fast unbekleidet, nur eine feine Strumpfhose und Klebestreifen über der freien Brust verbergen ein wenig ihre Nacktheit. Und zuletzt wird das „Jesuskind“ nur durch einen Platzhalter, einen weißen Luftballon mit Perücke, dargestellt. Die Aufmerksamkeit des Beobachters liegt eindeutig auf der stillenden Frau, die uns mit roten Lippen hingebungsvoll in die Augen schaut.
Man spürt in dieser Serie die Lust an der Revision jahrhundertelang eingeübter, vor allem durch die männlich geprägte Kunstgeschichte definierter visueller Codes sowie an Travestie und Maskerade, die mehr enthüllt als verbirgt. Die ikonografisch hochstilisierten Bilder werden zum Ausgangspunkt der künstlerischen Befragung.