Die Serie „Anrufung“ erforscht die Rolle der Künstlerpersönlichkeit und ihre Beziehung zur Kunstwelt. Hingabe, Kampf um Anerkennung, aber auch das Wissen um die eignen Verletzlichkeit und Bedingtheit werden zum Thema.
Die persönliche Situation der Künstlerin wird bei „Anrufung #3“ ironisch auf die Spitze getrieben. Die Künstlerpersönlichkeit verschwindet hinter einer Maske. Die künstlich übergroßen Lippen als weibliches Attribut schieben sich anbietend in den Vordergrund. Der weibliche Körper liegt hingegossen auf einem Haufen einschlägiger Kunstmagazine, als könne er alleine über diese Geste teilhaben und sich einschreiben in die Seiten der Kunstgeschichte.
Gibt es noch einen gesellschaftlichen Auftrag für Künstler und Künstlerinnen oder haben sie genug damit zu tun, sich an ein elitäres Kunstsystem anzuschmiegen, dass sich von der Gesellschaft immer mehr abzukoppeln scheint? Mit Kritik am hermetisch abgeriegelten Kunstsystem aber auch mit einer guten Portion Selbstkritik geht Hanna Nitsch in dieser Arbeit vor. Denn zwischen der Sucht nach Anerkennung und dem Sturz aus dem Paradies ist oft nur ein schmaler Grad.
Man spürt in den Fotografien von Hanna Nitsch, die Lust an der Revision jahrhundertelang eingeübter, vor allem durch die männlich geprägte Kunstgeschichte definierter visueller Codes sowie an Travestie und Maskerade, die mehr enthüllt als verbirgt. Die ikonografisch hochstilisierten Bilder werden zum Ausgangspunkt der künstlerischen Befragung.